Dass ich nicht alleine bleiben wollte, das war mir schon bald nach Sybilles Tod ganz klar, aber wie sollte das passieren? In meinem Alter und tief in einem kleinen Bekanntenkreis verwurzelt und nicht willig, über die einschlägigen Plattformen auf „Brautschau“ zu gehen. Ganz einfach gesagt: es ist passiert mit so viel Glück und Zufällen, dass man an ein Wunder glauben möchte, so wie die Geschichte abgelaufen ist. Man könnte es verfilmen und man würde glauben, es ist einfach gut erfunden… Die Realität ist aber auch so schön und so will ich meine Gedanken einmal notieren, am Tag nach dem “ offiziellen” Einzug von Sylvia. Hier also der Versuch, das in Worte zu fassen:
Seit ein paar Tagen ist meine neue Lebenspartnerin nun schon zu mir auf den Hof gezogen. Und was macht das mit mir? Was hat das gemacht und wird es noch? Wo fange ich da an. Vielleicht bei der Geschichte, als Sylvia aus den Untiefen der Tiefkühltruhe eine Dose mit Kuchen herausgeholt hatte. Es stellte sich heraus, das der schon mindestens 2,5 Jahre alt sein müsste, weil Quitte drauf war und da war nur die Ernte von vor drei Jahren nennenswert. Und den Kuchen hatte Sybille noch gebacken! Die Erinnerung kam aber erst mit dem ersten Happen, aber dann emotional sehr heftig, ich war überwältigt und mir kamen Tränen. Keine Tränen der Trauer oder des Schmerzes, auch keine Freudentränen. Es war irgendwie anders, schwer zu beschreiben, eine Mischung aus Gänsehaut, Ehrfurcht und? Sybille war wieder ganz nah und es fühlte sich gut an, trotz der Tränen…oder gerade wegen der Tränen? Ich brauche, glaube ich, noch Zeit, so ein Ereignis dann irgendwann so richtig einzuordnen.
Das ganze Gegenteil davon einen Tag vorher. Wir räumten die Tenne frei, nach Renovieren des Bodens im Schlafzimmer und “Sybilles Bürochen“. Dabei tauchte ein Karton mit den Urinbeutelhalterungen für die Beine auf. Ich zeigte und erklärte sie Sylvia und in dem Moment überkamen mich alle Erinnerungen an diese schreckliche Zeit des Krebses, mit voller Wucht, richtig traumatisch und ich musste diese Packung sofort wegschmeißen, war unruhig und wollte die Gedanken sofort wieder loswerden. In beiden Fällen war es so hilfreich, dass Sylvia da war und mich auffangen konnte und wir sofort darüber reden konnten. Sie nahm mich erst einmal einfach nur in den Arm….
Beide Ereignisse so konträr, aber auch so wichtig, auf dem langen Weg hin in ein neues Leben. Das hat natürlich schon begonnen, denn Sylvia wohnt schon einige Zeit hier. Wir haben uns beide ganz schnell und sehr bewusst entschieden. Hatten wir doch Jahrzehnte Erfahrung und für uns war ganz klar, wie symbiotisch das bei uns beiden zusammen passt und warum noch lange warten. Aber mit der Renovierung und der Umgestaltung der Räume geht der Weg in die gemeinsame Zukunft weiter, er formt sich erst noch, aber mit dem großen Umzug ist ein deutlicher Schnitt zu spüren, der gut tut und ganz wichtig für mich, für uns ist. Rückschläge kommen aus dem Nichts und sind aber schnell in den Griff zu bekommen. Erinnerungen in der Wohnung bekommen einen neuen Stellenwert und somit formt sich etwas Neues, ohne das Alte zu verdrängen, gar zu löschen. Manches braucht noch seine Zeit und die lassen wir uns, eben auf beiden Seiten. Was die negativen Erinnerungen angeht, so kann und muss ich ehrlich sein, bin ich froh, diesen Zustand nicht mehr zu haben. Im Nachhinein kann ich sagen, ich habe darunter gelitten. In der Situation war es einfach so, man hat vieles auf sich genommen, ist über sich hinausgewachsen und hat wie selbstverständlich alles ertragen. Es war einfach so…. Wie lange wäre das “gut gegangen”? Gottseidank weiss man das ja nicht, will es auch nicht. So wie mit der Zukunft. Wir gestalten sie beide jetzt ganz bewusst in jedem Moment, sind bewusst im Hier und Jetzt. Wir haben ja nur dieses eine, nun geneinsame Leben und wir kosten es aus, ganz bewusst auch aus unserer gemeinsamen schicksalshaften Vergangenheit heraus in eine wieder schöne Zukunft, eben solange dies geht. Und was dann ist? Wir haben es beide erfahren, auch das was kommen sollte werden wir schaffen und es lässt uns mit unseren Erfahrungen nun leichter in die Zukunft schauen.
Es war ein besonderes Gefühl, am Abend des Umzugs im dann schon fast “fertigen” Wohnzimmer zu sitzen. Ich hatte das Gefühl nun angekommen zu sein, im neuen Leben mit so vertrauten Elementen wie z.B. der Liebe. Wir beide haben uns was Neues geschaffen und bei uns beiden dürfen unsere verstorbenen Partner dabei sein in allen Lebenslagen.
Ich bin so dankbar dafür, diese Erfahrung in meinem Leben zu haben, es gehört nun endlich zu mir einfach dazu. Ich habe akzeptiert und nun vieles kapiert, an mir viel gearbeitet und bin mit meiner Seele wieder gut im Reinen und kann wieder ganz bewusst dafür dankbar sein.
Danke Sybille, dass ich dich hatte!
Danke Sylvia, dass ich dich habe!
Danke an mich, die Liebe so wieder erleben und weitergeben zu dürfen.
Mit meiner/unserer Geschichte möchte ich allen mit so einer schrecklichen Lebenserfahrung einfach nur Mut machen und zeigen, was möglich sein kann… Habe nicht gedacht, das überhaupt so ein Zeit wie jetzt kommen kann, aber mir wurde gesagt, dass die kommen kann, man wird es spüren. Ich habe dran geglaubt und gehofft und war offen für Veränderungen, das ist so wichtig! Und dann habe ich es gespürt…
Bin sehr berührt, Alles erdenklich Gute für Euch! Liebe Grüße, Axel