…nur ein Datum im Kalender? Es gab Jahre, da war uns, Sybille und mir garnicht vorweihnachtlich zumute und man musste sich zwingen, doch etwas Advendsstimmung im Hause aufkommen zu lassen. Klar, Kerzen gehen immer und wenn man es gemacht hatte, war es ja auch schön. Aber immer dem Trend, oder der Aussage „man macht das so“nachzukommen, das war nie unser „Einstellung“. Dennoch, es war ja irgendwie doch immer schön, wenn man es auch nicht zugeben mochte.
Und nun? Was will ich denn nun dieses Jahr? Bis heute morgen wusste ich es nicht, mir war garnicht danach – eigentlich. Gestern Abend hatten wir ein Konzert mit dem Weihnachtsoratorium von Bach und im Konzert musste ich viel an Sybille denken. Sonst natürlich auch, wobei sich das in letzter Zeit etwas verändert hat. Zum Beispiel ist es mir letztens passiert, als ich mir etwas gekocht hatte und einen Teller aus dem Schrank holte, hatte ich auf einmal zwei in der Hand… Immer denke ich daran, nur einen Teller aus dem Schrank zu holen, brauche ja keinen zweiten, Sybille isst ja nicht mehr mit… Zum ertsen mal hatte ich den Gedanken nicht. Neuerdings mache ich mir glücklicherweise mehr Gedanken über mich, denke an mich, gönne mir was. Viel Geld habe ich gerade dafür gelassen. Aber ich brauchte das gerade irgendwie und ich hatte mir ja versprochen, wenn ich endlich die Steuer gemacht habe und die Rückzahlung kommt. Ich begreife langsam, keiner denkt jetzt für mich ich muss ganz alleine entscheiden. Das fällt mir so schwer. Das ist eines der Dinge, die mir am meisten fehlen, keinen mehr zum alltäglichen und vielleicht auch mal belanglosem Austausch zu haben. Julia ist zwar im Prinzip da und das ist auch sehr schön. Aber es geht da ja nicht nur um belangloses Zeug und um Sachen, die kann ich und möchte ich mit ihr nicht besprechen. Zurück zum Konzert, zur grandiosen Musik von Bach und meinen Gedanken an die vielen schönen Dinge in unserm gemeinsamen Leben und die schönen Dinge, die gerade trotz allem passieren, wie die Treffen neulich mit meinem Fotografiefreundeskreis. Eines der ersten Tage, an denen ich gefühlt unbeschwert mit Fotografie und Gesprächen verbracht habe oder an andere Gespräche im „normalen“ Freundeskreis. Auch der Kalender, dessen Einnahmen ich spende, erbrachte bis jetzt übrigens 1400,-€. Alles positiv und erfreulich. Vorweihnachtliche Gefühle kamen auch auf und ich dachte daran, das ja jetzt die „schwere“ Zeit beginnt, so ohne Sybille. Ich hatte aber das Gefühl, die Musik hilft mir dabei, sie tröstet mich. So kann doch die Weihnachtszeit kommen.
Heute morgen dann wieder die Realität, ich hatte keine Lust zu dekorieren. Julia bot sich mir an das zu machen und im Verlauf des Vormittages wurde mir klar, nicht groß nachdenken, mach das einfach! Da waren wieder Sybilles letzte Worte und nach dem Cappuccino mittags habe ich es einfach gemacht, den Hutschenreuter Stern draussen hingehängt, zwei Lichterketten dazu in die Bäume und drinnen fand ich Sybilles selbst gebastelten Adventskranz von vor ein paar Jahren. Der sollte zu Sybilles Ecke im Wohnzimmer. Da landete er auch, aber mit viel Tränen… Wieder einmal hatte es mich ganz plötzlich erwischt. Ich sah, wie ich Sybille zwei Birkenhölzer für den Adventskranz aus dem Garten brachte und es brach über mich, die Erinnerung, der Schmerz, die Tränen und die Sehnsucht, einfach die Zeit zurückzudrehen zu wollen…
Jetzt, wo ich hier auf dem Sofa daneben sitze und meine Gedanken in die Tasten haue merke ich ein wohliges angenehmes und tröstendes Gefühl in mir und ich höre Sybille sagen, das hast du schön gemacht… Wenigstens ist sie so bei mir und so wird sie das immer für mich bleiben, hoffentlich irgendwann einmal mit weniger Schmerz.